
Nachdem wir in unseren letzten Gespräch mit den Bremer Abgeordneten Michael Jonitz (CDU) und Ralph Saxe (Bündnis 90/Die Grünen), aufgrund einer anregenden Debatte über ihre Eindrücke von Wiener Mobilitätskonzepten, es nicht ausführlich zu verkehrspolitischen Themen in Bremen geschafft haben, trafen wir uns ein zweites mal in der Bremischen Bürgerschaft für eine Fortsetzung des Interviews. Aufgrund der Länge wird dieses hier in leicht verkürzter Form wiedergegeben. Dieses Mal stand die Verkehrswende Bremen im Fokus, wobei wir einleitend erfahren wollten, wo sie die Kernziele der Verkehrswende in Bremen sehen…
Ralph Saxe
Es steht primär natürlich das an, was wir in der Koalitionsvereinbarung vereinbart haben und das was im Klima-Enquete beschlossen worden ist, auch wenn sich manche nicht mehr so recht erinnern können, was die Klima-Enquete eigentlich beschlossen hat. Ich kapriziere mich mal auf den Bereich Mobilitätswende. Wir haben vielleicht nicht konkret genug gesagt, dass wir da weitere Schritte gehen wollen. Mobilitätswende heißt eben, dass man im Mix der Mobilitäten etwas verändert. Das meint, dass wir weniger Auto und mehr ÖPNV, SPNV und Carsharing, Radverkehr und Fußverkehr machen und dafür eben konkrete Maßnahmen ergreifen. Und das, was ich versucht habe mir gerade anzugucken, nämlich einen Mobilitätshub in der östlichen Vorstadt, der aber noch nicht gebaut war, ist so etwas, wo wir größer einsteigen. Es hilft ja nichts, wenn der böse Herr Saxe sich hinstellt und sagt, wir müssen weniger Auto fahren, dann wird der weniger böse Herr Jonitz sagen: „Ja, aber da müsst ihr Alternativen bereitstellen, sonst funktioniert das mit dem Umstieg nicht.“ Das ist ja grundsätzlich richtig: Leute sollen freiwillig umsteigen, und das geht nur durch Angebote. Das haben wir, mit diesen Mobilitätshubs machen wir das. Das heißt, das sind Mobilitätsstationen, die jetzt im Augenblick Carsharing anbieten, wo dann eben Lastenfahrräder auszuleihen sind, Fahrräder auszuleihen sind, wo man E-Scooter unterbringen kann. Ich wünsche mir selber auch, dass sie auch eine vernünftige Grüngestaltung und auch eine Bank haben. Das finde ich ist ein Faktor, der ist unheimlich wichtig. Und das andere, was wir zumindest ein bisschen versuchen, das ist den ÖPNV zu stärken. Es war ja nun ein Erfolg von uns, dass wir den Einstieg in die Angebotsstufe 2 geschafft haben, mit drei Teilstücken. Und diese Angebotsstufe 2 ist spielentscheidend, denn da geht es um Taktverbesserungen. Da werden wir zumindest in Bremen-Nord oder auch im Tabakquartier wesentliche Verbesserungen haben. Dass mir das nicht reicht, ist auch klar.
Wir haben ja gleich das Vergnügen, uns über den Haushalt auszutauschen. Wir haben eben nicht viel Geld und man muss jetzt gucken, wie kann man das Geld am besten ausgeben.
Michael Jonitz
Das würde ich so nicht unterschreiben, sondern gleich in den Widerspruch gehen. Wenn wir über den Haushalt sprechen, muss ich zugestehen, gibt es zwei Punkte, die man positiv erwähnen kann. Das ist einmal die Finanzierung der Angebotsstufe 2, auch die dauerhafte Finanzierung und dass mehr in Radwege investiert wird. Auf der anderen Seite haben wir da aber riesige Löcher drin. Das steht auch sehr deutlich da drin. Es gibt keine Eckwerterhöhung. Das heißt, auch im Senat spielt Verkehr, Mobilität und auch Bauen, was ja ein Gesamthaushalt ist, keine übergeordnete Rolle und da klaffen halt große Löcher, was die Infrastruktur anbelangt. Zum Beispiel wird zwar das Straßeninstandhaltungsbudget hochgefahren, aber dann direkt wieder im nächsten Jahr, 2027, auf das jetzige Niveau zurückgefahren. Sprich Inflation, Kostensteigerung etc. werden nicht berücksichtigt. Das heißt, da läuft man auf Substanz.
Streitpunkt E-Scooter und Quartiersgaragen
Michael Jonitz
Was die ganze Sharing-Geschichte angeht, stimme ich dem Kollegen zu, das ist ein ganz wichtiger Baustein, Aber da haben wir uns als Bremen leider auch wieder schon die Tür selbst zugemacht, weil wir die E-Roller-Lizenzen verlost haben und nicht mit einem Verfahren vergeben haben, in dem man jetzt auch eventuell nachsteuern könnte… Auch die Diskussion um die Quartiersgaragen haben wir ja schon geführt. Das sind für mich, wie gesagt, nicht einfach nur Autoabstellplätze, sondern multimodale Mobilitätshubs in diesem Sinne – aber eben auch mit Auto. Dementsprechend sind wir da an manchen Stellen auf dem richtigen Weg, aber ich glaube, dass gerade auch, was die finanziellen Mittel anbelangt, uns das in den nächsten zwei Jahren deutlich einholen wird. Ich glaube, der Senat wird da große, große Schwierigkeiten bekommen, weil es ist jetzt schon drin, dass über 20 Millionen an Ausgaben für Städtebauförderung oder für sozialen Wohnungsbau nicht gedeckt sind. Die müssen irgendwo im Budget herkommen.
Ralph Saxe
Zu ein paar Dingen habe ich da einen Widerspruch. Also zum einen dass wir im Haushalt keinen Schwerpunkt in diesem Ressort setzen… Da bin ich völlig anderer Meinung, da haben wir ja das Infrastrukturressort. Und wenn man sich die reinen Summen anschaut, dann wird man feststellen, dass da natürlich am meisten Geld drinsteht, weil dort die Ausgaben für das Bauen anfallen. Bei den E-Scootern bin ich komplett anderer Meinung. Diese vier Anbieter, die es da im Prinzip gibt, sind in etwa gleich. Da hätten wir jetzt wieder ein umständliches Vergabeverfahren haben können und hätten am Ende doch keinen Mehrwert dabei gehabt. Und klar sind Quartiersgaragen Orte, wo man Autos stapelt. Man nimmt sie woanders weg und packt sie dahin. Das kann ein Ziel sein, wenn man bestimmte Räume vom Autoverkehr freiräumen will. Nur, wenn man solche Quartiersgaragen in Bremen bauen wollte, dann muss man auch Platz dafür finden. Und diese Untersuchung war nun mal so, dass wir festgestellt haben: Wir haben keinen Platz dafür. Wir haben keinen Platz dafür. Und wir haben sehr viel konkurrierende andere Nutzungen wie Kita- oder Schulbau. Wir haben genau zwei Standorte gefunden dafür… die Dinger sind viel zu teuer, sie sind unwirtschaftlich zu betreiben und sie sind bestimmt keine sozialpolitische Maßnahme…
Michael Jonitz
Ich würde in fast allen Punkten widersprechen, besonders auch was die Qualität der Studie anbelangt, deswegen deutlicher Widerspruch an den unterschiedlichen Feldern. Richtig ist aber auch… Mobilität meint den Verkehr in Bremen, sowie Straßen- und Stadtteilbezüge zu organisieren. Das heißt, eine Pauschallösung zu formulieren, wie etwa, alles mit Quartiersgaragen voll, wird zum Beispiel in Schwachhausen nicht greifen. Das fehlt mir gerade noch… das es immer nur heißt: Quartiersgaragen, ja oder nein? Bewohnerparken, ja oder nein? Nein, man muss genau gucken, was vor Ort möglich ist, was vor Ort auch nötig ist.
Barrierefreiheit, Parken und Haushaltskritik
Ralph Saxe:
Wir haben die Situation gerichtlich festgestellt, dass wir in Bremen etwa 50.000 Parkplätze haben, die illegal sind. Die Leute stehen auf dem Fußweg… Das ist eine Situation, die muss man lösen. Und da kann man meiner Ansicht nach, auch weil man die Plätze dem Fußverkehr wegnimmt, nicht einfach sagen, das ignorieren wir jetzt.
Michael Jonitz:
Ich gebe dir in dem Punkt recht, dass wir die Parkplatzsituation nicht um der Parkplatzsituation willen aussitzen dürfen… Wir müssen da handeln… Die Frage ist am Ende des Tages, wie setze ich es um und wie gut setze ich es um. Und da muss ich ehrlich sagen, wenn ich mir da den Haushalt angucke, sind dort gar keine Gelder hinterlegt… Die Zulassungszahlen steigen oder sind auf dem höchsten Niveau, auf einem relativ hohen Niveau in Bremen, wie sie es noch nie vorher waren. Das heißt, die Leute nutzen das Auto weniger, aber das führt nicht dazu, dass sie es abschaffen, sondern sie kaufen sich eher noch mehr Autos, weil der Bedarf besteht. Und ein Verkehrsressort, ein Infrastrukturressort, was vor den Herausforderungen Brücken, ÖPNV, Straßeninstandhaltung usw. steht, ohne erhöhte Eckwerte ins Rennen der nächsten zwei Jahre zu schicken, halte ich für verantwortungslos und schwierig.
Ralph Saxe
Unser Ansatz ist ja ein anderer. Unser Ansatz ist Verkehr finanziert Verkehr. Das heißt, wenn wir Parkraumüberwachung machen, dann nehmen wir auch Geld dafür ein… Das können wir wiederum ausgeben um in der Parkraumgestaltung etwas machen zu können. Ich habe von Mobilitätshubs erzählt, die werden finanziert durch Einnahmen aus dem Mobilitätsbauortsgesetz, also was früher Stellplatzsatzung war. Also es gibt sehr viele Möglichkeiten der Verkehrsfinanzierung, die durch den Verkehr selber erbracht werden. Stichwort Bewohnerparken: Schwachhausen sagt ganz klar, wir wollen gerne Bewohnerparken. Wenn die das aufgesetzte Parken regeln und das Bewohnerparken einführen, wäre das auch eine Einnahmequelle…
Was wären die konkreten Maßnahmen die mit der CDU passieren könnten…
Michael Jonitz
Das ist wirklich eine spannende Geschichte. Ich glaube, über allem muss Klarheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit stehen. Das heißt für mich dann zum Beispiel Tempo 30, dass man das nachvollziehbar gestaltet… Dann ist da die Frage nach Stärkung der Beiräte. Da brauchen wir eine klare Verantwortung für die Hauptverkehrsachsen in der Stadtbürgerschaft und für die Wohn- und Nebenstraßen, dann bei den Beiräten und zwar mit der entsprechenden Mittelverfügbarkeit… Und der dritte Punkt, ein deutliches Sanierungs- und Neubauprogramm.
Streitpunkt Tempo 30
Ralph Saxe
Bei Tempo 30 würde ich anmerken, unser Ziel wäre ein anderes, nämlich Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt. Also der Anhalteweg beträgt bei Tempo 30 14 Meter und bei Tempo 50 28 Meter. Das heißt, im schlimmsten Falle wenn bei 14 metern ein Kind auf der Straße steht, hat das Auto mit Tempo 30 komplett angehalten und das Auto mit Tempo 50 fährt ungebremst in diesen Menschen rein… Es ist auch so, dass der Verkehrsfluss sich verbessert und dass natürlich die Lärmbelastung auch abnimmt… So glauben wir, das Tempo 30 eine stadtverträgliche Geschwindigkeit ist.
Michael Jonitz
Bei Wohn- und Nebenstraßen mit Tempo 30, in Verantwortung der Beiräte sind wir absolut dabei. Wir haben aber und wir brauchen auch Hauptverkehrsachsen… Da brauchen wir mehr als Tempo 30 oder können wir auch mehr als Tempo 30 verkraften… als in Wohn- und Nebenstraßen, Tempo 30 in den Wohn- und Nebenstraßen kann ich pauschal mitnehmen, aber dann eben auch auf den Hauptstraßen Tempo 50. Nach der Devise Tempo 30 an den richtigen Orten zu den richtigen Zeiten, das ist da unser Motto.
Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehrssektor
Michael Jonitz
Das haben wir ja vorhin genannt. Das ist der Schwerpunkt des ÖPNV. Das ist der Ausbau der Sharing-Angebote… und auch Stärkung des Radverkehrs. Und da ist es ein kleiner Hoffnungsschimmer im Haushalt, dass die Mittel für den Radweg und für die Radinfrastruktur deutlich angehoben worden sind.
Ralph Saxe
Es geht um Verkehrsrechte, das ist doch vollkommen klar. Solange so viele Fahrzeuge draußen rumfahren, die sich von fossilen Energien speisen, wird das mit dem Klimaschutz nichts. Das heißt, wir müssen erst mal diese Fahrzeuge reduzieren, mehr Elektromobilität fördern und dann auf die verschiedenen Verkehrsarten noch stärker setzen, wie auch Fuß- und Radverkehr und ÖPNV, die wiederum umweltfreundlicher sind, als es ein Elektroauto am Ende ist… Es muss deutlich weniger Autoverkehr geben und dafür mehr Sharing-Angebote und mehr Fuß- und Radverkehr und öffentlicher Nahverkehr. Das sind ganz klar die Klimaschutzziele im Verkehr.
Wir Danken Michael Jonitz und Ralph Saxe für das Interview.