Eine kurze Geschichte der Straßenbahn Bremerhavens

Eine kurze Geschichte der Straßenbahn Bremerhavens 1
Quelle: 75 Jahre Bremerhavener Straßenbahn, abrufbar unter: https://öpnv-bremerhaven.de/75-JAHRE-BREMERHAVENER-STRASSENBAHN.pdf

Wir schreiben den 30.Juli 1982: Nach 101 Betriebsjahren fährt zum vorerst letzten Mal eine Straßenbahn durch Bremerhaven, trotz 18.000 gesammelter Unterschriften gegen ihre Stilllegung. Freund*innen der Bremerhaverner Straßenbahn veranstalten eine öffentliche Trauerfeier auf dem Theodor-Heuss-Platz, der letzte Zug wird auf seiner Fahrt vom Hauptbahnhof ins Depot begleitet, durch den großen Andrang von Menschen, die der letzten Fahrt beiwohnen wollen, im Schritttempo. Vier Jahrzehnte später wird nun wieder diskutiert, die Straßenbahn nach Bremerhaven zurückzuholen. Dank der Beharrlichkeit engagierter Bürger*innen fand das Anliegen seinen Weg auf die politische Tagesordnung und jüngst wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass das durchaus beliebte Verkehrsmittel aus der Hafenstadt verschwand?

Von starken Pferden zu Pferdestärken: Die Anfänge der Straßenbahn

Am 26. Juni 1881 rollte die erste Pferdebahn vom Bahnhof Geestemünde bis zur Wurster Straße in Lehe rollte. Anfangs zogen 50 Pferde 14 Wagen über knapp sieben Kilometer Gleis, Haltestellen im heutigen Sinn gab es nicht – wer mitfahren wollte, winkte die Bahn einfach heran. Zunächst wurde die Strecke nur eingleisig befahren – an ausgewählten Ausweichstellen musste auf entgegenkommende Wagen gewartet werden. Trotz dieser anfänglichen Einschränkungen wurde die Bahn häufig genug frequentiert, dass die Strecken ausgebaut wurden und die Pferdeherde bald auf die dreifache Größe anwachsen durfte.

Die Elektrifizierung startete 1898 mit Akkumulatoren-Triebwagen, eine damals innovative Lösung, um auf Oberleitungen im Überseehafen zu verzichten. Ab 1905 wurde dann eine Umstellung auf elektrischen Betrieb mit Oberleitungen in die Wege geleitet. So wurde die Straßenbahn nach und nach zum festen Bestandteil der städtischen Mobilität, was das Stadtbild für Generationen prägen sollte.

Die Straßenbahn als Lebensader verbindet Menschen

Die Tram verband die damals noch eigenständigen Gemeinden Bremerhaven, Geestemünde und Lehe und wuchs mit der Stadt. Bis 1920 fuhren lediglich zwei Linien: „die Rote“ (Linie 2) verkehrte auf der Nord-Süd-Achse und „die Grüne“ (Linie 3) führte in die östlichen Gebiete. Später kamen weitere Strecken hinzu: Nordwärts ins niedersächsische Langen, südlich bis Wulsdorf und zu den Hafenanlagen. 1949 war schließlich mit 6 Straßenbahnlinien die größte Ausweitung des Netzes erreicht, ergänzt durch einige Buslinien.

Die Fahrgastzahlen spiegelten die Bedeutung wider: Im ersten Betriebsjahr Jahr 1882 nutzten insgesamt knapp 850.000 Menschen die Bahn, 1892 waren es über 1,3 Millionen. In den 1970er Jahren erreichte der Nahverkehr Bremerhavens (zu dem inzwischen auch der Betrieb durch Busse gezählt wurde) seinen Höhepunkt mit rund 25 Millionen Fahrgästen. Die Bahn war nach wie vor das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs, der in einer sogenannten Bandstadt, die sich durch ihre in die Länge gezogene Struktur auszeichnet, weit voneinander entfernte Punkte verbinden muss. Ab 1975 sanken die Fahrgastzahlen allmählich, was unter anderem auf die Systemkonkurrenz durch den Nahverkehr mit Bussen erklärt werden kann.

Die Übernahme des Nahverkehrs durch Busse

Die ersten Omnibusse fuhren in Bremerhaven bereits 1925 an der Unterweser entlang. Doch erst ab den 1960er Jahren wurden sie zunehmend zu einer Konkurrenz für die Straßenbahn. Neue Buslinien, moderne Gelenkbusse und ein flexibleres Netz sollten die Mobilität der Anwohnenden verbessern. Kürzere Linien der Straßenbahn wurden so im Zuge der Busexpansion stillgelegt. Weiterhin setzte der zunehmende Autoverkehr in den Nachkriegsjahren der Straßenbahn zu. Einerseits verlor sie durch zunehmenden Individualverkehr Mitfahrer*innen und andererseits wurden die Straßen durch höheres PKW-Aufkommen für die Bahnen schlechter befahrbar.

Der Investitionstrend setzte sich auch in den darauffolgenden Jahren fort, in denen neue Busse angeschafft und ein moderner Betriebshof gebaut wurde. Für die Straßenbahn hingegen wurden zwar 1968 noch einmal fünf neuwertige Gelenkzüge angeschafft, aber eine dringend nötige Sanierung des Schienennetzes wurde in einem 1971 erbrachten Gutachten als zu kostspielig eingeschätzt und eine zweite Art Verkehrsmittel für eine Stadt unter 200.000 Einwohnern als „Luxus“ diffamiert. Stattdessen wurden neue Busse angeschafft und der Nahverkehr zunehmend von der Schiene auf die Straße verlagert. Zunächst durch Ablösung einzelner Strecken durch Busverkehr, ab 1977 dann auch auf den Hauptstrecken der Straßenbahn in den Abendstunden und Samstags ab 14 Uhr. Besonders problematisch war der Investitionsfokus auf Busverkehr allerdings, da das Schienennetz nicht mehr mit der Stadt mitwachsen durfte. Stattdessen wurde für die Anbindung der Vororte auf Busse gesetzt, deren Strecke sich im Stadtbereich teilweise mit denen der Bahn deckte. Statt also in die Straßenbahn zu steigen, um in der Stadt voran zu kommen, wurde es durch die Streckenführung einfacher gemacht, direkt einen Bus zu nehmen.

Schließlich fiel die Entscheidung gegen eine grundlegende Sanierung der Straßenbahn in den politischen Gremien – trotz einer engagierten Bürgerinitiative, die 18.000 Unterschriften für den Erhalt sammelte. Am 30. Juli 1982 fuhr die letzte Bahn durch Bremerhaven. Die erst 1968 erworbenen Bahnen wurden kurz darauf von der Bremer Straßenbahn AG aufgekauft und fanden schließlich noch ein drittes Zuhause in Timișoara, Rumänien, wo sie restauriert und mit neuem Anstrich bis heute im Einsatz sind. Um den Öffentlichen Nahverkehr in Bremerhaven steht es hingegen weitaus schlechter. Statt der 25 Millionen Fahrgäste im Jahr 1975 fuhren im Jahr 2023 nur noch 13,95 Millionen Menschen mit.