Konzept Bremen

Vorbemerkung:
Dies ist das Einfach Einsteigen Basiskonzept für einen umlagefinanzierten, ausgebauten Nahverkehr in Bremen, wie wir es im Januar 2019 veröffentlicht und angesichts der damaligen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und der Linken aktualisiert haben. Die Grundidee ist ein paritätisch durch Wirtschaft und Bürger*innen zu gleichen finanzierter Nahverkehrsbetrieb, der es erlaubt diesen fahrscheinfrei zu betreiben und umfassende Mittel für einen Nahverkehrsausbau zur Verfügung zu haben. Damit setzen wir uns von etwaigen Forderungen nach einem generell kostenlosen Nahverkehr ab. Die Verwirklichung soll als Teil eines Gesamtkonzepts für eine Verkehrswende geschehen, das Maßnahmen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs, zur Einschränkung des PKW-Verkehrs und weitere Maßnahmen mit einschließt.

Stand der Dinge

Seit dem ist eine Menge passiert: Die damals neue rot-grün-rote Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Prüfung unseres Konzepts und anderer Konzepte vereinbart. Diese Prüfung wurde während der Legislaturperiode durch das Verkehrsressort nie richtig abgeschlossen. Es wurden nur Teilaspekte geprüft. Interessant ist aber, dass alle Koalitionspartner im Laufe der Legislaturperiode aus unserem Vorschlag abgeleitete Konzepte veröffentlicht haben (Bremen Ticket der SPD, Grüne, LINKE), die auf einer Finanzierung des Nahverkehrsbetriebs überwiegend aus der Grundsteuer setzen. Ein Fortschritt, aber aus unserer Sicht fehlte gerade die für uns wichtigen Finanzierung eines substanziellen Ausbaus des Netzes weitestgehend. In den Wahlprogrammen zur Landtagswahl 2023 tauchten die Forderungen wieder auf. Das Finanzierungsinstrument wurde aber offen gelassen und erlaubt auch eine Finanzierung durch eine Umlage.

Einfach Einsteigen und das Deutschlandticket

Mittlerweile haben auch Corona, die Energiekrise und das (4)9 €-Ticket neue Fragen aufgeworfen: Sicher dürfte sein, dass die Rechnung nicht mehr exakt die Gleiche ist. Gestiegene und neue Subventionen, aber auch Kosten für Betrieb und Bau von Infrastruktur machen es leider für uns nicht leicht, aktuell eine neue Berechnung vorzunehmen. Wir gehen aber davon aus, dass vom Grundsatz her unsere Idee weiterhin stimmig ist und funktioniert.

Einige Menschen gehen davon aus, dass die Einführung des Deutschlandtickets der Erfüllung unserer Forderung sehr nahekommt und dass man vielleicht nur noch eine Preissenkung fordern müssen, also quasi das 9 €-Ticket wieder einführt. Das ist nicht korrekt: Ein wesentlicher Hintergrund unseres Ansatzes ist es, kontinuierlich sehr viele Mittel für den Ausbau von Infrastruktur bereitzustellen. Die Fahrscheinfreiheit ist ein willkommener Nebeneffekt, der nicht Selbstzweck ist. Wir halten einfache und günstige Tarife für wichtig. Aber halten da regional angepasste Konzepte für sinnvoller. Forderungen nach einem bundesweit kostenlosen Nahverkehr oder einem bundesweit gültigem 9 €-Ticket nützen weder dem Klimaschutz, noch der Verkehrswende. Mit heißer Nadel gestrickte Studien, die anderes behaupten, haben uns methodisch nicht überzeugt. Ein bundesweit gültiges, günstiges Nahverkehrsticket führt unnötigem Mehrverkehr, vertreibt teilweise sogar Stammfahrgäste, die für ihre Alltagsbesorgungen auf den Nahverkehr angewiesen sind. Auch, wenn es der Erfahrung des Einfach Einsteigen Gefühls nahe kommt, glauben wir nicht, dass es zu den Aufgaben des Staates gehört, Menschen jederzeit bundesweit kostengünstige Reisen im Nahverkehr zu ermöglichen. Für Menschen mit geringem Einkommen sollten andere Wege gefunden werden, damit diese gelegentlich bundesweit reisen können. Als soziale Maßnahme zur gesellschaftlichen Teilhabe wäre ein ausgebauter, günstiger Nahverkehr in der Region wichtiger. Das wäre auch sozialer, weil damit nicht die Mitarbeitenden der Verkehrsbetriebe regelmäßig an ihre Belastungsgrenzen getrieben und Menschen im Rollstuhl nicht aus den Zügen vertrieben werden würden.
Dennoch ist das Deutschlandticket (vorerst) Realität und wirft rechtliche und finanzstrukturelle Fragen in Zusammenhang damit auf. Wir bemühen uns um Klärung und rechtliche Gutachten.

Das Einfach Einsteigen Basiskonzept

  • Finanzierung von Betrieb und Unterhalt des Nahverkehrs über eine paritätische Umlage
  • Die Hälfte der Umlage zahlen alle volljährigen Bremer*innen, Pendler*innen, Studierenden (weiter als Semesterticket) und Tourist*innen.
  • Die andere Hälfte wird über eine Gewinnumlage, die an die Gewerbesteuer geknüpft ist, erhoben.
  • Die Zuschüsse an die Verkehrsunternehmen durch Stadt und Land fallen für die Stadt Bremen mit Ausnahme der bisherigen Mittel für das Stadtticket, die Schülerbeförderung und die Schwerbehindertenbeförderung vollständig weg.
  • Die frei werdenden Mittel aus den bisherigen Zuschüssen werden als Investitionsmittel für den Ausbau des Straßenbahn-Netzes, die Anschaffung neuer Fahrzeuge und den Bau zusätzlicher Haltepunkte im Regio-S-Bahn-Netz von Bremen verwendet.

→ Innerhalb Bremens werden keine Tickets mehr benötigt.

→ Die Verkehrsbetriebe können sich auf Breite und Qualität des Angebots konzentrieren.

Wie funktioniert die Finanzierung?

Paritätische Finanzierung

Wir streben an, dass der Betrieb und Unterhalt des Nahverkehrs paritätisch von Bürger*innen und Unternehmen getragen wird. Paritätische Finanzierung hat sich seit langem in der Sozialversicherung bewährt. Darüber hinaus profitieren Bürger*innen und Unternehmen von einem attraktiven Nahverkehr.

Wir gehen darüber hinaus davon aus, dass die Fahrgastzahlen steigen und sich das Angebot verbessert. Dadurch steigen die Kosten. Wir kalkulieren deshalb mit einer Kostensteigerung von 30%.

In Zahlen bedeutet das:

Beitrag Bremer*innen: 19,76 Euro pro Monat
Beitrag Pendler*innen: 19,76 Euro pro Monat
Ermäßigter Beitrag: 10,00 Euro pro Monat
Tourist*innen: 3,00 Euro pro Übernachtung

Unternehmen: Gewinnumlage von 3,23 % des Gewinns

Fernverkehrsunternehmen des Bus- und Flugverkehrs zahlen pro beförderter Person 70 Cent bei An- und Abreise.

Eine anschauliche Visualisierung findet ihr hier.

Vorteile des Modells

Ökologische Vorteile

  • Weniger Autos verursachen weniger Schadstoffe in der Luft.
  • Weniger Autos verursachen weniger Lärm.
  • Wenn wir weniger Autos in der Stadt haben, können Flächen, die aktuell für Parkplätze vorgesehen sind, anders genutzt werden. Beispielsweise für Rad- und Fußwege, sowie Grünflächen.
  • Weniger Autos verursachen auch weniger klimaschädliches CO2 und tragen so zum Klimaschutz bei.

Verkehrspolitische Vorteile

  • Weniger Autos bringen mehr Sicherheit für Radfahrende & Fußgänger*innen.
  • Weniger Autos verursachen auch weniger Stau. Dadurch kann der Wirtschaftsverkehr besser fließen und die Menschen, die nach wie vor auf das Auto angewiesen sind, kommen schneller von A nach B.

Soziale Vorteile

  • Entlastung einkommensschwacher Haushalte, denn die aktuellen Kosten für den ÖPNV werden deutlich reduziert. Insbesondere Familien profitieren, da bis zum 18. Lebensjahr keine Abgabe bezahlt werden muss.
  • Verbesserte Jobchancen für Arbeitslose, da ihr „Suchradius“ für Stellen erweitert wird.
  • Steigende Partizipation am gesellschaftlichen Leben, da die bisherigen Ticketpreise finanziell Schwache von der Teilnahme an weiter entfernten Aktivitäten abgehalten haben.

Sonstige Vorteile

  • Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Bremen
  • Bremen als Vorbild und Vorzeigestadt, die dadurch für Tourist*innen attraktiver wird.
  • Entlastung der Justiz durch Verringerung von Schwarzfahrprozessen und Erzwingungshaft

Der Einfach-Einsteigen-Plan

  • Öffentliche Diskussion und Weiterentwicklung des Basiskonzepts in den kommenden Monaten
  • Senat und Bürgerschaft bringen noch 2019 mit einem Grundsatzbeschluss die Realisierung des Einfach-Einsteigen-Prinzips auf den Weg. Dadurch ist genug Zeit, um neue Fahrzeuge zu beschaffen und den Ausbau des Nahverkehrsnetzes entsprechend dem Verkehrsentwicklungsplan (VEP) voranzutreiben.
  • Verbindung des Einfach-Einsteigen-Prinzips mit einer Parkraumbewirtschaftung, um den Umstieg auf den Nahverkehr zu befördern und den Ausbau der Fahrradstadt sowie Infrastruktur-Maßnahmen für Fußgänger*innen voranzutreiben.
  • Wenn möglich, können bereits übergangsweise Ansätze zur Attraktivitätssteigerung des Nahverkehrs eingeleitet werden. Beispielsweise eine niedrigere Umlage zur Finanzierung des Einfach-Einsteigen-Prinzips in den Nebenzeiten des Nahverkehrs, Gutscheine für Einrichtungen der Stadt oder für Haushalte, die ihr Auto stilllegen.

→ 2023: Mit dem Inkrafttreten des neuen Nahverkehrsplans heißt es in Bremen Einfach Einsteigen. Der Bremer Nahverkehr wird ticketlos und bekommt ein deutlich erweitertes Angebot.

Mögliche Varianten des Modells:

Option 1 – Mitarbeiterabgabe – Effekt auf Unternehmensseite

Statt an der Gewerbesteuer orientiert sich der Monatsbeitrag für Unternehmen an der Zahl der Mitarbeiterinnen. Effekt: Die Stadt Bremen bezahlt für alle Mitarbeiterinnen der Stadt und des Landes in Bremen. Nachteil: Der Faktor Arbeit wird teurer und schlecht gehende Betriebe werden genauso belastet wie prosperierende. Vorteil: Die Erfassung ist vermutlich einfacher, wodurch sich der Verwaltungsaufwand verringert.

Option 2 – Prozentuale Abgabe nach Einkommen – Effekt auf Individualseite

Statt eines fixen Betrags orientiert sich der Beitrag prozentual am Einkommen. Nachteil: Nur sozialversicherungspflichtiges Einkommen ist ohne Weiteres erfassbar. Bei Selbstständigen und für Kapitaleinkünfte ist der potenzielle Verwaltungsaufwand höher. Vorteil: Der Monatsbeitrag verteilt sich gerechter auf verschiedene Einkommensstufen.

Option 3 – Senkung des Sozialbeitrags auf 5 EUR – Effekt auf Individualseite

Individuen

Voller Beitrag: 21.22 Euro pro Monat (gegenüber 19.73 Euro in der Ausgangsrechnung)
Ermäßigter Beitrag: 5,00 Euro pro Monat
Touristinnen: 3,00 Euro pro Übernachtung Unternehmen: Gewinnumlage von 3,23% (Berechnungsgrundlage Gewerbesteuer) Bus- und Flugunternehmen: 70 Cent pro An- und Abreise

Option 4 – Finanzierung des Forschungsfonds aus anderen Haushaltsmitteln Effekt auf Unternehmens- und Individualseite (Haushaltskosten 10 Mio. €)

Individuen

Voller Beitrag: 18.79 Euro pro Monat Ermäßigter Beitrag: 10,00 Euro pro Monat Tourist*innen: 3,00 Euro pro Übernachtung

Unternehmen

Gewinnumlage von 3,09% (Berechnungsgrundlage Gewerbesteuer)
Bus- und Flugunternehmen: 70 Cent pro An- und Abreise

Option 5 – Subventionierung des Sozialbeitrags aus dem Haushalt – Effekt auf Individualseite (Haushaltskosten ca. 11,4 Mio.)

Individuen

Voller Beitrag: 17.55 Euro pro Monat
Ermäßigter Beitrag: 10,00 Euro pro Monat
Tourist*innen: 3,00 Euro pro Übernachtung

Unternehmen

Gewinnumlage von 3,23% (Berechnungsgrundlage Gewerbesteuer)
Bus- und Flugunternehmen: 70 Cent pro An- und Abreise

Option 6 – Subventionierung der Beförderung Minderjähriger aus dem Haushalt Effekte auf Unternehmens- und Individualseite (Haushaltskosten ca. 11 Mio.)

Individuen

Voller Beitrag: 18.12 Euro pro Monat
Ermäßigter Beitrag: 10,00 Euro pro Monat
Tourist*innen: 3,00 Euro pro Übernachtung

Unternehmen

Gewinnumlage von 3,06% (Berechnungsgrundlage Gewerbesteuer)
Bus- und Flugunternehmen: 70 Cent pro An- und Abreise

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