Warum im ÖPNV wieder gestreikt wird

Warum im ÖPNV wieder gestreikt wird 1

Busse und Bahnen stehen still, Pendler*innen suchen nach Alternativen, viele fragen sich: Warum schon wieder Streik? Als Initiative Einfach Einsteigen wollen wir erklären, warum wir die Anliegen der Streikenden unterstützen.

Die doppelte Krise des ÖPNV

Der Bremer Nahverkehr – und nicht nur dieser – befindet sich in einer doppelten Krise: Einerseits hat sich bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) ein Defizit von 150 Millionen Euro angesammelt, andererseits fehlt es zunehmend an Personal – bis 2030 allein zwischen 80.000 bis 100.000 Mitarbeiter*innen deutschlandweit. Die 2022 beschlossene ÖPNV-Angebotsoffensive wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, und seit Anfang 2023 fährt die BSAG einen Notfahrplan ohne absehbares Ende.

Diese Situation ist kein Einzelfall. Bundesweit kämpfen Verkehrsbetriebe mit ähnlichen Problemen. Die Streiks, die wir derzeit erleben, sind daher mehr als nur ein Arbeitskampf – sie sind Ausdruck einer strukturellen Krise im Verkehrssystem.

Verlässlichkeit in Gefahr

Gegner*innen von Streiks wollen das deutsche Streikrecht immer wieder beschränken. Häufig wird als Grund dafür das Bedürfnis der Fahrgäste nach einem verlässlichen Nahverkehr angeführt. Das ist aber Augenwischerei: Die eigentliche Gefahr für die Verlässlichkeit des Nahverkehrs liegt nicht in den temporären Streiks, sondern in den langfristigen strukturellen Problemen.

  • In den kommenden 10 Jahren werden 22% der Mitarbeitenden der BSAG in den Ruhestand gehen.
  • Der Krankenstand ist seit der Pandemie deutlich gestiegen.
  • Die Arbeitsbedingungen haben sich verschärft: lange Schichten, wenig Pausen, fehlende Anerkennung.

Ohne Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen wird es unmöglich sein, ausreichend neue Mitarbeiter*innen zu gewinnen und zu halten. Die Folge wären dauerhaft unzuverlässige Verbindungen, Fahrtausfälle und ein viel schlimmerer Vertrauensverlust.

Mehr als nur Lohnforderungen

Ein entscheidender Punkt, der in der öffentlichen Debatte oft untergeht: Den Streikenden geht es nicht primär um ein faireres Gehalt. Im Zentrum steht die Forderung nach einem bundesweiten Manteltarifvertrag, bessere und vor allem einheitlichere Arbeitsbedingungen schaffen soll.

Seit Jahren bemüht sich ver.di um diesen Manteltarifvertrag, doch die Politik und die kommunalen Arbeitgeber verweigern sich einer langfristigen Lösung. Stattdessen kommt es immer nur zu kurzfristigen, regionalen Vereinbarungen. Sobald diese auslaufen, beginnt der Kampf von vorne.

Die Lösung: Umlagefinanzierung und faire Arbeitsbedingungen

Als Einfach Einsteigen haben wir ein Konzept zur Umlagefinanzierung des Bremer Nahverkehrs vorgelegt. Die Idee: Alle Bremer*innen, Arbeitnehmer*innen, Tourist*innen und Unternehmen zahlen eine Umlage, mit der ein deutlich erweiterter, fahrscheinfreier Nahverkehr finanziert wird.

Dieses Konzept würde nicht nur einen Ausbau des ÖPNV ermöglichen, sondern auch faire Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne für die Beschäftigten sicherstellen. Die bisherigen ÖPNV-Subventionen könnten für Infrastrukturausbau und Modernisierung verwendet werden, wobei Bundesmittel zusätzliche Finanzierung bringen würden.

Gemeinsam für eine sozial-ökologische Verkehrswende

Es wird nur dann zu einer Verkehrswende im Nahverkehr kommen, wenn es gelingt, viele neue Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Dafür braucht es attraktive Arbeitsbedingungen und eine verlässliche Finanzierung.

Wir unterstützen daher die Forderungen der Streikenden nach einem bundesweiten Manteltarifvertrag und besseren Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig fordern wir die Politik auf, endlich eine nachhaltige Finanzierungslösung für den ÖPNV zu finden.

Nur so können wir einen ausgebauten, fahrscheinfreien und barrierefreien Nahverkehr schaffen, der sowohl für die Fahrgäste als auch für die Beschäftigten attraktiv ist. Die kurzfristigen Unannehmlichkeiten durch Streiks nehmen wir in Kauf, um langfristig einen besseren ÖPNV für alle zu erreichen.